Rückblick auf das Kolleg „Emanzipation und Partizipation von Frauen* in jüdischen Gemeinschaften“

Frauen im Judentum? Die dürfen keinen Tallit tragen, sind für den häuslichen Bereich zuständig und haben die Pflicht, möglichst viele Kinder zu gebären – so zumindest das oft vorherrschende Bild zur Orthodoxie. Doch ist das wirklich so? Wo steht das geschrieben und wie sieht es in der Praxis aus?

Vom 6. bis 8. Mai 2019 diskutierten 15 ELES-Stipendiat_innen in Neversdorf über die Rolle von Frauen* in jüdischen Gemeinschaften und räumten mit Klischees auf. Denn weder sind Frauen* im orthodoxen Judentum stets unterdrückt und unmündig, noch ist in liberalen oder säkularen Kreisen eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen* vollständig verwirklicht. In den Vorträgen und Diskussionen zeigte sich vielmehr, dass es zwar in den jeweiligen Gemeinschaften sehr unterschiedliche Verständnisse von Gleichberechtigung gibt, Frauen* aber in allen Gemeinschaften Kämpfe für gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit führen – und dass es noch viel zu tun gibt!

Im Februar 2019 fand beispielsweise der erste Jewish Women Empowerment Summit statt, ausgetragen vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der JSUD. Es kamen über Hundert junge jüdische Frauen zusammen, um gemeinsam über bestehende Probleme zu diskutieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Hiervon berichtete beim Kolleg in Neversdorf Laura Cazés, Referentin für Verbandsentwicklung in der ZWST und Mitorganisatorin des Empowerment Summit, und betonte die Notwendigkeit einer stärkeren Einbeziehung junger jüdischer Frauen für die zukünftige Entwicklung der jüdischen Gemeinden in Deutschland.

Viktoria Ladyshenski, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Hollstein, gewährte den Stipendiat_innen Einblicke in ihre Erfahrungen als Vorsitzende einer orthodoxen Gemeinde und berichtete von den Möglichkeiten, sich als Frau gleichberechtigt in den Gemeindestrukturen zu engagieren.

Anna Schapiro, ELES-Alumna und Mitherausgeberin der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart, berichtete von ihrem Engagement für Jalta. Die Zeitschrift ist nach einer der wenigen weiblichen biblischen Figuren benannt und hat eine gesonderte Rubrik für Feminismus im Judentum. Jalta steht für eine Gemeinschaft junger kritischer Jüdinnen und Juden jenseits der etablierten Gemeinden, die sich aktiv in gesellschaftliche Entwicklungen einmischt und diese mitgestaltet. Als Herausgeberin der Zeitschrift konnte Anna Schapiro interessante Einblicke in den Entstehungsprozess der Zeitschrift und zugleich in ihren persönlichen Werdegang als jüdische Künstlerin gewähren.

Die beiden Alumnae und zugleich Kollegsleiterinnen Anastassia Pletoukhina und Rachel de Boor rundeten das Programm mit Vorträgen zu den Themen „Entstehung der Sozialen Arbeit“ und „Frauen in Jüdischen Quellen“ ab. Wir danken Anastassia Pletoukhina und Rachel de Boor ausdrücklich für die sehr gelungene Konzeption und Durchführung des Kollegs.

Ein ganz besonderer Dank geht an die Udo-Keller-Stiftung, die uns wieder einmal sehr großzügig und gastfreundschaftlich in ihren Räumen empfangen hat und es uns an Nichts fehlen ließ.

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