Porträt ELES-Auslandsförderung: Lionel Reich

Akademische Exzellenz, gelebtes Judentum, ein spannendes Studentenleben – Lionel Reich über sein von ELES gefördertes Auslandssemester in den USA.

Sie sind gerade zurückgekehrt. Wo waren Sie und was haben Sie dort gemacht? 

An meiner Hochschule ist ein Auslandssemester nach Beendigung des Grundstudiums verpflichtend. Ich war an der juristischen Fakultät der University of Michigan, in der Kleinstadt Ann Arbor nahe der kanadischen Grenze. In Ann Arbor leben 120.000 Menschen, ungefähr die Hälfte Mitglieder der Universität. Die ganze Stadt ist auf die Universität ausgelegt, alles ist fußläufig zu erreichen, der Charakter ist beinahe dörflich. Ich konnte fünf Monate lang voll und ganz in das Leben eines amerikanischen Studenten eintauchen – Greek Life wie man es aus Filmen kennt. Besonders fasziniert haben mich die jüdischen Student_innenverbindungen.

 Jura studieren im Ausland. Geht das überhaupt?

Diese Frage wurde mir nach meiner Rückkehr immer wieder gestellt. Es ist richtig, dass ich mich während meines Jurastudiums in Deutschland überwiegend mit dem deutschen Recht befasse und auch das Staatsexamen beschränkt sich auf deutsche Rechtsgebiete. Dennoch hilft mir der Blick in andere Rechtsordnungen sehr. Man kann zum Beispiel rechtsvergleichend an unterschiedliche Fragen des Rechts herangehen und auch das Grundprinzip der Juristerei ist in den meisten Ländern ähnlich: Wir wenden Gesetzestexte an, legen diese aus, übertragen sie auf den jeweiligen Fall.

Warum haben Sie sich für die University of Michigan entschieden?

Für mich waren drei Faktoren essentiell: Die Gastuniversität sollte renommiert sein und mich beruflich weiterbringen. Außerdem wollte ich unbedingt in einer jüdischen Umgebung leben und studieren. In Ann Arbor sind etwa 20 % aller Studierenden jüdisch. Und ich wollte voll und ganz in die Welt eines amerikanischen College-Studierenden eintauchen – mit College-Sport, Partys und allem, was dazu gehört. Es gibt in den USA wohl keine andere Hochschule, die diese drei Faktoren vereint: In Michigan erwarteten mich akademische Exzellenz, gelebtes Judentum und ein spannendes Studentenleben.

Welche Relevanz hat der Aufenthalt für Ihr Studium?

Da ich mich in meinem Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School nicht nur auf das erste Staatsexamen vorbereite, sondern zugleich den Bachelor of Laws (LL.B.) erwerbe, ist für mich das Auslandssemester obligatorisch gewesen und wird daher vollumfänglich für meinen Bachelor anerkannt. Ich kann mir auch gut vorstellen, nach der juristischen Ausbildung in Deutschland ein Masterstudium (LL.M.) an einer exzellenten amerikanischen Hochschule anzuschließen und die Monate in Ann Arbor werden mir sicherlich bei der Bewerbung helfen.

Welche Strukturen bietet die University of Michigan jüdischen Studierenden?

Das Angebot an jüdischen Aktivitäten ist riesig und ich kann unmöglich alles aufzählen. Allein das Hillel-Zentrum vereinigt 40 von Studierenden geführte Initiativen! Vom jüdischen Basketballteam bis zum Challa-Backen für Bedürftige ist alles dabei. Für die Shabbat-Feier wechselte ich regelmäßig zwischen drei Organisationen: Hillel, dem Jewish Resource Center und dem lokalen Chabad on Campus. Allein bei diesen Organisationen nahmen durchschnittlich 600 Studierende am Shabbat-Abendessen teil. Täglich gab es direkt auf dem Campus zahlreiche Veranstaltungen. Das Hillel Haus ist 24/7 geöffnet. Studierende können dort lernen und während der Klausurenphase wird man sogar mit koscheren Süßigkeiten versorgt. In der Mensa gibt es neben vegetarischen und veganen selbstverständlich auch koschere Optionen. Auch das gemeinsame Begehen hoher Feiertage ist selbstverständlich und mir wurde mehrmals die Ehre zuteil, zur Thora gerufen zu werden. Ich war bestens in die jüdische Gemeinschaft integriert und bin froh, dort Freundschaften fürs Leben geschlossen zu haben.

Copyright Foto: Samii Stoloff Photography.

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