Interview mit ELES-Stipendiatin Irina Rubina, die in „Talente sichern – Zukunft gestalten”, das Karriereförderprogramm für Frauen aufgenommen wurde
ELES-Stipendiatin Irina Rubina absolviert ihr Meisterschülerstudium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf im Bereich Animationsregie. Gerade hat sie einen Platz im werkübergreifenden Karriereförderprogramm für Frauen, „Talente sichern – Zukunft gestalten“, erhalten. Wir gratulieren! Wir haben mit Frau Rubina über ihr Meisterschülerprojekt gesprochen und darüber, was das Förderprogramm für sie bedeutet.
Frau Rubina, herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme in das Programm “Talente sichern– Zukunft gestalten”. Bevor wir über das Karriereförderprogramm für Frauen der Begabtenförderung sprechen – erzählen Sie uns etwas über Ihr Meisterschülerprojekt?
Vielen Dank! Ursprünglich komme ich aus der abstrakten Animation: Auch in meinem Meisterschülerprojekt – einem freien Animationskurzfilm – versuche ich eine Projektionsfläche zu kreieren, die zwar grob eine Phantasierichtung vorgibt, aber den Zuschauenden auch viel Freiheit und Entscheidungen überlässt. Dieses Projekt ist eine persönliche, assoziative Reise, die Wiederbelebung der tragischen Geschichte des russisch-sowjetisch-jüdischen Dichters Ossip Mandelstam, gemischt mit absurden, defragmentierten, von seine Poesie inspirierten Bildern und Tönen.
Konkreter arbeite ich im Moment daran, Ossips Geschichte in eine Musik- und Sprachtonebene zu übersetzten: Das Leben in einem totalitären Staat, das Nicht-Publizieren-Dürfen, das Auswendig-Lernen und das Weitergeben seiner Gedichte durch Freunde und zwei Verhaftungen. Die letzte hat Mandelstam nicht überlebt. Meine Arbeitsansätze sind hier die akustische Defragmentierung seines frühen Gedichtes „Man gab mir einen Körper …“ und eine rhythmische Musik-Ton-Komposition. Mandelstam ist erst zarte 18 Jahre alt, als er das Gedicht verfasst. Doch man spürt, mit welcher Melancholie er sich schon damals mit dem Existenziellem auseinandersetzt. Und ich entwickele ein Ausstellungskonzept zum selben Thema.
Was an Ossip Mandelstams Gedicht „Man gab mir einen Körper …“ und an der Geschichte des russischen Dichters fesseln Sie so, dass Sie Text und Autor zum Gegenstand Ihrer Arbeit gemacht haben?
Vor einigen Jahren konnte ich im Rahmen meines Animationsstudiums ein Gedicht auswählen, um dieses im Zuge eines kurzen Workshops in visuelle Bilder zu übersetzen. Der Workshop war nach zwei Tagen zu Ende. Das Gedicht von Mandelstam ist mir seither im Kopf geblieben. Immer wieder habe ich es aus den hintersten Ecken meines Gehirns hervorgeholt, aufs Neue damit gespielt und es wieder abgelegt. Und jetzt, bei der nächsten Möglichkeit einen Animationsfilm zu gestalten, sprang mir das Gedicht wieder entgegen und es wollte nicht verschwinden.
Mich reizt und berührt das Geschichtliche an diesem Projekt, die Beziehung zwischen Kunst und einem repressiven Staat, das Kollektiv-Private, die Rolle von Mandelstams kultureller Gemeinschaft, seiner Freunde, seiner Mitstreiter. Und noch abstrakter: grundsätzliche Fragen zu seinen Schaffensprozessen und deren Bedeutung für ihn und für die Welt.
In diesem Projekt leuchtet selbstverständlich meine Herkunft, mein Bezug zu Russland durch. Es war auch mein Vater, der dieses Gedicht immer wieder für mich rezitiert hat…
Sie haben sich um einen Platz in “Talente sichern– Zukunft gestalten” beworben, einem Kooperationsprojekt von 12 Begabtenförderungswerken. Was erhoffen Sie sich durch die Förderung, die insbesondere ein intensives Mentoring und ein umfangreiches Seminarprogramm vorsieht?
Insbesondere die Idee des persönlichen Mentorings war ausschlaggebend, mich zu bewerben. Das Mentoring bietet die einzigartige Möglichkeit, sich mit einem erfahreneren Menschen, der daran interessiert ist, dich auf deinem beruflichen Weg intensiv zu begleiten und zu unterstützen, intensiv auszutauschen. Das Mentoring ist eine Chance, Zweifel und Fragen zu besprechen und Expertise und Netzwerke zu teilen. Es gibt Erfahrungen und Kenntnisse, die nur übers persönliche Gespräch weitergegeben werden. Umso spannender ist es, wenn dieses Gespräch mit jemandem stattfindet, der einen Teil des von dir angestrebten Weges schon hinter sich hat. Um Zugang zu solchen Einblicken zu bekommen, ist die Beziehung von Mentor_in und Mentee ideal. Auch ein distanzierter Blick von außen kann in manchen Situationen neue, bis dahin unsichtbare Lösungswege aufzeigen.
Für mich als freischaffende Animationsregisseurin und Filmemacherin ist es wichtig, bei diesem Mentoring einen Hauptfokus auf Produktionsfragen, Finanzierungswege und Vernetzung zu legen. Dadurch erhoffe ich, meine individuelle „Landkarte der Wege und Möglichkeiten“ zu erweitern, neue Erkenntnisse für das aktuelle und für zukünftige Projekte zu gewinnen. Und ich freue mich selbstverständlich auch auf eine spannende, inspirierende und persönliche Auseinandersetzung mit meinem Mentor. Das Programm ist eine perfekte Ergänzung zum Austausch über künstlerisch-inhaltliche Fragestellungen mit meinem betreuenden Professor an der Filmuniversität, wobei in meinem Fall produktionstechnische und inhaltliche Fragen stark ineinander greifen und einander beeinflussen.
Das Karriereförderprogramm steht Frauen aller konfessionellen und politischen Werke und den Stipendiat_innen der Studienstiftung des deutschen Volkes offen. Im Rahmen der Seminare werden Sie in intensiven Austausch mit Frauen kommen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen studieren und promovieren. Was erwarten Sie von diesen Begegnungen und dem fachübergreifenden Austausch?
Ich habe zu fast jedem Thema einen Animationsfilm im Kopf. Heute ist es dieses GIF von Libby Vanderploeg, mit dem ich auf die Frage antworten möchte. Es ist wirklich beeindruckend und bereichernd so viele ehrgeizige und ambitionierte Frauen aus vielen Kontexten kennenzulernen, neuen Perspektiven und Themen zu begegnen oder auch mal zu erforschen, wie sich die Schnittmenge unserer Herausforderungen definiert. Diese Art des Perspektivwechsels und das Auftauchen aus der eigenen hermetischen Berufs-Blase bringen nicht nur grundsätzlich frischen Wind in eigene Projekte, sondern sind für mich auch aus der menschlichen Perspektive und wegen seiner sozialen Komponenten spannend.
Das Programm möchte Nachwuchskräfte auf eine Führungsposition vorbereiten. Wie sieht Ihr Traumjob im Bereich Animation aus?
Ja, das stimmt. Wobei die Definition von einer „Führungsposition“ ganz bestimmt für jede von uns etwas anderes bedeutet. Ich komme aus einem Beruf, der in seinem Ursprung ein gewisses Führungshandeln (auch wenn ich dieses Wort ungern in den Mund nehme) schon in sich impliziert: Wenn ich als Regisseurin ein Projekt mit einem kleinen Team realisiere, ist es eine meiner Aufgaben, meine Vision und Motivation an Team, Geldgeber_innen, Förder_innen und andere Beteiligte weiterzugeben, um meine ursprüngliche Idee konkret entstehen zu lassen und zu formen.
In meinem Leben sind Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatem fließend. Das ist Fluch und Segen zugleich: Ein persönlich motiviertes Projekt geht schnell an das Intime und kennt auch keine Wochenenden und Feiertage. Ab und zu dringt es sogar in deine Träume … Für meinen Berufswunsch würde ich ungern das Wort „Job“ benutzen. Am liebsten wäre mir, weiterhin freischaffend oder in einem eigenen kleinen Studio eine Mischung aus persönlichen Filmprojekten, Auftragsarbeiten und transmedialen Kooperationen mit Bühnen-, Musik – und Tanzproduktionen zu realisieren. Dabei wünsche ich mir die enge Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten kreativen Menschen, um sich gegenseitig zu fordern, zu fördern, zu schockieren, zu bereichern und daran zu wachsen …
Filme von Irina Rubina, u. a. der Animationskurzfilm JAZZ ORGIE, hier auf Vimeo.
Foto: (c) Katharina Waisburd